Tja. Ich sitze hier und soll was schreiben. Aber ich weiß nichts. Mir fällt auch nichts ein. Kein Thema. Kein Anfang. Keine Mitte. Schon gar kein Schluß. Goethe hätte es vielleicht gewußt, Schiller wohl auch. Aber ich bin kein Dichterfürst. Ich bin ein kleiner Rentner! Und warte vergeblich auf Erleuchtung.
Dabei hab´ich ja selbst schuld. Denn eigentlich hätte mir klar sein müssen: Mit Freund Günni beim Wein sitzen – da kommt meistens irgend ein Unsinn raus. Noch dazu in der Pfalz, in Urlaubslaune und wenn keiner mehr Auto fahren muß. Zu Fuß wird´s nachher schon irgendwie gehen. Das Quartier ist ja gleich um die Ecke, und unsere Frauen werden uns heimleuchten. Na dann erstmal Prost!
Wir hocken also wieder im Weinlokal gemütlich beisammen und tauschen gewaltige Gedanken aus. Verbessern die Welt, ohne daß sie es merkt. Die Gattinnen sind längst in ein feinsinniges Damengespräch versunken und geben auf uns nicht weiter acht. Günni (er heißt ja in Wahrheit viel schöner, aber in meinem Geschreibsel möchte er möglichst unerkannt bleiben. Bei mir wisse man nie, was am Ende drin steht) – Günni also berichtet gerade von seinen vielfältigen Aktivitäten im Bereich der deutschen Nordseeküste. Genauer: In Cuxhaven. Ganz genau: In Stickenbüttel.
Sie kennen Stickenbüttel? Nein? Sehen Sie – das ist der Grund, weshalb der ortsansässige Verkehrs- und Bürgerverein eine eigene Internetseite eingerichtet hat. (Ohne das nimmt heute niemand mehr von irgendetwas Notiz. Sie surfen ja auch gerade hier…) Und Fachmann Günni hat kräftig dabei geholfen. Mit Rat und Tat. Auch die weitere Betreuung will er übernehmen. Ja – so kennt man ihn: Immer hilfsbereit. Immer einsatzfreudig. Und immer eine Idee voraus. Besonders mit einem vollen Weinglas in Griffnähe.
Ganz nebenbei, sanft und hinterlistig, fragt er mich plötzlich mit einem harmlosen Lächeln: “Du, sag mal – hättest Du nicht Lust, ab und zu mal was zu schreiben? Für unsere Seite? Was Dir gerade so einfällt?”
Zwei gut eingeschenkte 1/4-ltr.-Schoppen Grauburgunder-Spätlese haben in meinem armen Gehirn bereits einen leichten, wohligen Dunst erzeugt. Durch diesen höre ich mich antworten: “Klar! Warum nicht! Irgendwas geht immer! Ich schreibe für Euch – weil Du´s bist!” Handschlag – Prost – …was wir lieben… – “Fräulein, bitte nochmal das gleiche!”
Die Gattinnen lassen sich derweil keineswegs stören. Aber ich stecke nun in der Falle. Denn einem Freund gegenüber gibt es kein Zurück – Grauburgunder-Spätlese oder nicht… Versprochen ist versprochen.
Jetzt heißt es also, für Stickenbüttel etwas schreiben. Aber bitte: Was???
Geht Ihnen das auch so:
“Corbinian! Denk´ dran, Tante Berta hat nächsten Mittwoch Geburtstag! Schreib´ ihr eine schöne Karte – oder noch besser: Einen Brief! Schreib´ ihr einen schönen Brief! Sie freut sich immer so, wenn sie mal Post kriegt! Dir wird schon was einfallen! Aber vergiß es nicht wieder wie voriges Jahr!”
Na klar, an unser einem bleibt es immer hängen. So kauert man denn total verspannt am Schreib-/ Couch-/ Küchentisch und wartet auf die große Eingebung. Aber die will absolut nicht kommen. Stattdessen: Hitze im Brustkorb, Brausen in den Ohren, rote Schleier vor den Augen, Leere im Schädel – nur kein brauchbarer Gedanke. Höchstens vielleicht dieser hier: “Was geht mich eigentlich Tante Berta an?” Aber sie ist die Erbtante. Also nicht nachlassen. Und dann plötzlich die rettende Idee (warum denn nicht gleich?):
“Liebe Tante Berta!“
Na also! Das ist doch schon mal die halbe Miete! Weiter: …Liebe Tante Berta…äh, ääh,ahem, hm hm hm …
Mehr nicht. Das war´s bereits. Wieder alles verschwommen, totale Funkstille. Nirgendwo ein Lichtlein. Und ich sitze und kaue am Schreibgerät (vorsichtig, wegen der falschen Zähne), und sitze und sitze… Könnten S i e mir nicht vielleicht einen vernünftigen Einfall zukommen lassen? Ich zahle gut!?
Ach – das kennen Sie alles selbst? Ihnen geht es manchmal auch nicht besser? Da hätte ich mir ja die ganze Mühe sparen können! Na dann zum Schluß vielleicht wenigstens noch ein nützlicher Tip von meinem hochverehrten alten Freund Wilhelm B u s c h, dem weisen Praktiker in vielen Lebensfragen:
“Oft fällt das Denken schwer – indes
das Schreiben geht auch ohne es!”
Und was soll ich Ihnen sagen? Es klappt! Ich habe es gerade selbst ausprobiert! Ich bin gerettet!
Der Brief an Tante Berta ? Naja, wir haben dann doch lieber nur angerufen. Aber sie war verreist.
Bis bald mal wieder
Corbinian Wagenseyl